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Mit Gemütlichkeit und Ignoranz gegen die Zukunft
Extreme Hitzewellen, anhaltende Dürren und starke Überschwemmungen sind nur ein Teil der spürbaren Folgen des Klimawandels und dürften mittlerweile die drohenden Gefahren deutlich gemacht haben – sollte man meinen. Die Diskussionen und Gemüter rund um die notwendigen Maßnahmen gegen die globale Erwärmung sind mittlerweile genauso aufgeheizt wie die Atmosphäre unseres Planeten. Da komme ich sogar in den Tiefen meines Hasenbaus ins Schwitzen.
Während die Mehrheit der Klimaforschenden vor einer anrollenden Katastrophe warnt, sehen so manche hinter der Debatte eine verschwörerische „Klimalüge“. Immer wieder werden Stimmen laut, die die bloße Existenz des Klimawandels in Frage stellen und fundierte Forschungsergebnisse gekonnt ignorieren. Mithilfe von Desinformation, Verschwörungsmythen und Pseudowissenschaft wird aus der unbequemen Diagnose eine bequeme Prognose. Die verbreitete Kernbotschaft ist dabei meist eindeutig: „ES BLEIBT ALLES SO, WIE ES IST!“
Den allgemeinen wissenschaftlichen Konsens kategorisch abzulehnen, ist ja generell nicht die beste Idee, aber so manche Klimaskeptiker gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie glauben an eine handfeste Verschwörung von „ganz oben“. Und das ist dabei wörtlich zu nehmen, denn „die da oben“ sollen nicht nur herrschend von ihrem hohen Ross auf uns herabblicken, sondern angeblich auch gezielte Wetterbeeinflussung betreiben, um die Bevölkerung zu steuern (und Wetterfrösche arbeitslos zu machen).
Da wäre beispielsweise der HAARP-Mythos. Hier wird behauptet, dass eine US-amerikanische Forschungsanlage in Alaska insgeheim dazu dienen soll, das Klima zu manipulieren. Die Abkürzung HAARP steht für High Frequency Active Auroral Research Program und ist ein zivilgesellschaftliches Programm, bei dem das Magnetfeld der Erde mittels Kurzwellensendeanlagen untersucht wird. Was offensichtlich nicht wie der Plan eines perfiden Bond-Bösewichts klingt, wird auf Telegram allerdings als todbringende Wetterwaffe verteufelt und für zahlreiche Extremwetterereignisse verantwortlich gemacht. Das ist natürlich deutlich bequemer und unterhaltsamer, als den eigenen Lebensstil zu hinterfragen. Tja, Pech geHAARPt, Wissenschaft.
Ein weiterer Dauer(ver)brenner der Klimaverschwörung sind die altbekannten Chemtrails-Mythen. Dabei besteht der Glaube darin, dass Kondensstreifen von Flugzeugen in Wahrheit mit Chemikalien versetzte Nebel seien, die Gifte oder Umwelt beeinflussende Substanzen enthalten sollen. Dass Flugverkehrsabgase schlecht fürs Klima sind, weiß mittlerweile ja jedes Kind. Behauptungen über gezielt vom Staat gesprühte Naturkatastrophen aus Flugzeugturbinen sind aber schon ziemlich vernebelte Anschuldigungen und schlichtweg Unsinn. Auch Naturkatastrophen wie die Flut im Ahrtal sollen angeblich durch Geo-Engineering herbeigeführt und Maßnahmen gegen die Klimakrise eigentlich zum Zwecke der Neuen Weltordnung eingeführt worden sein. Wirklich erstaunlich, welche diabolischen Superkräfte „denen da oben“ so zugetraut werden und ein ziemlich umständlicher Weg zur absoluten Machtergreifung, wie ich finde.
Manche Verschwörungsgläubige setzen sogar noch einen drauf und behaupten, dass Umweltkatastrophen und extreme Wetterphänomene komplett inszeniert seien. Wie im Hollywoodfilm sollen Schauspielende, sogenannte „Crisis Actors“, Verletzte und Betroffene spielen, um die verheerenden Ereignisse des Klimawandels vorzutäuschen. Das wäre dann wohl das größte Filmprojekt aller Zeiten, aber leider keine Science-Fiction, sondern eine brandaktuelle Doku mit gigantischem Abspann und schlechten Aussichten auf eine Fortsetzung. Solche Fantasien einer staatlichen Inszenierung kennen wir ja beispielsweise schon vom Mythos über die gefakte Mondlandung. Im Fall der „gespielten Klimakrise“ kommt diese Behauptung aber angesichts der zahlreichen Opfer durch die realen Folgen der Erderwärmung sehr makaber um die Ecke.
Und es geht noch abgedrehter: 2018 spekulierte die radikale republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene auf Facebook, dass die Waldbrände in Kalifornien vielleicht von einem Space-Laser mittels Sonnenenergie verursacht worden sein könnten. Die vermeintlichen Auftraggeber der intergalaktischen Lasershow? Natürlich, die jüdische Familie Rothschild, womit wir wieder beim typischen antisemitischen Verschwörungsfeindbild angelangt wären (Gähn).
Ein weiterer prominenter Verfechter von Verschwörungserzählungen zur Klimakrise ist – wenig überraschend – Donald Trump. 2012 stellte er auf Twitter die steile These auf, dass der Klimawandel von China erfunden worden sei, um die Wettbewerbsfähigkeit von US-Firmen zu schwächen: Fake America Great Again. Solche Narrative spielten ihm bei seiner Präsidentschaftskandidatur bestens in die Karten, um dann in seiner Amtszeit beispielsweise das Pariser Klimaabkommen aufzukündigen. Und so landen gefährliche Klimamythen nicht nur in zwielichtigen Telegram-Kanälen, sondern werden auch lauthals für rechtspopulistische Zwecke im Mainstream genutzt und über den wissenschaftlichen Diskurs hinweg gebrüllt – immer passend zur eigenen Agenda.
Besonders problematisch kommen regelmäßig publizierte pseudowissenschaftliche Studien daher, die gezielt Zweifel am menschengemachten Klimawandel säen sollen. Die Desinformationen werden geschickt in vermeintlich wissenschaftliche Thesen verpackt und wirken somit wunderbar glaubhaft auf alle Klimaskeptikerinnen und -skeptiker. Dazu werden noch möglichst viele Namen mit akademischem Titel aufs Deckblatt gepackt und voilà, fertig ist die druckfrische Scheinexpertise. Perfekt für die nächste Diskussion am Stammtisch. Dass diese Veröffentlichungen so gut wie nie in renommierten Fachzeitschriften landen und meist von Lobbyisten fossiler Brennstoffe in Auftrag gegeben werden, stört den Großteil der Zweifelnden dabei herzlich wenig. In deren Augen scheinen Fakten wohl eher Auslegungssache zu sein – getreu dem Motto: Was nicht zum eigenen Lebensstil passt, muss Teil einer Verschwörung oder schlichtweg falsch sein. Auch hier gilt wieder: Bleibt es bequem, ist es genehm.
Natürlich sind nicht alle, die Zweifel an der nachgewiesenen Existenz des Klimawandels bzw. dessen menschlichen Ursprungs hegen, automatisch Verschwörungsgläubige. Oft reicht schon die bloße Angst davor, dass die heilige Bratwurst vom Grill oder der geliebte Oldtimer aus der Garage verschwinden könnte, um Fakten konsequent auszublenden. Allerdings zeichnen sich diese Menschen doch häufig durch eine gewisse Empfänglichkeit für Falsch- und Desinformationen aus. Untersuchungen zeigen, dass Personen, die mit Klima-Verschwörungserzählungen konfrontiert werden, anschließend auch weniger bereit sind, den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Das macht deutlich, wie gefährlich das haltlose Säen von Klima-Mythen innerhalb unserer Gesellschaft ist und wie dankbar jegliche Angebote der Verdrängung angenommen werden. Klar, Veränderungen, die den eigenen Lebensstil betreffen, werden zu Beginn häufig skeptisch beäugt. Am Ende zählt jedoch ausschließlich, dass wir das Ruder rumreißen und verhindern, dass der Karren mit Vollgas gegen die Wand fährt. Da kann man leugnen und ignorieren so viel man will, wenn wir so weitermachen wie bisher wird’s hier bald für uns alle äußerst ungemütlich. Da hilft dann auch kein kühles Rabbit Hole mehr…
Bundeszentrale für politische Bildung: Aufgeheizt – Verschwörungserzählungen rund um die Klimakrise
Deutschlandfunk: Verschwörungserzählungen: Gefährliche Klimamythen
Tagesschau: Desinformation zum Klima: Pseudo-Experten schaffen Glaubwürdigkeit
Nabu: Faktencheck zur Klimakrise
Bild: Markus Spiske via Unsplash