Der Fabulant

The Great Reset:
Neue Regie dank Pandemie

Das größte Makeover der Geschichte?

Wir alle kennen es: Manchmal fühlen wir uns abgeschlagen, ausgebrannt oder frustriert. Wir sehnen uns nach Veränderung, einem Neustart, ja vielleicht sogar nach einem kompletten Makeover. Einfach mal Tabula rasa machen. Wie das gelingt? Die einen melden sich zum Marathonlauf an, andere begehen den Jakobsweg oder misten ihre Garage mit Tipps von Marie Kondo aus. Das klingt zwar alles entzückend, aber hier darf gerne noch vieeel größer gedacht werden – und zwar „Great“.

Warum nicht einfach die komplette Welt umkrempeln? In Verschwörungskreisen soll er schon längst im Gange sein, der sogenannte „Great Reset“. Was das Corona-Virus und ein betagter Ravensburger damit zu tun haben sollen, das klären wir jetzt.  

Große Umbruchsstimmung  

Der Beginn der Corona-Pandemie befeuert nicht nur Klopapierkäufe, sondern ist auch zentraler Treibstoff für unzählige neue oder längst verstaubte Verschwörungserzählungen. Normalerweise würde man beim Schmieden diabolischer Verschwörungspläne an dunkle Hinterzimmer und dubiose Geheimtreffen denken. Nicht so beim Mythos des „Great Reset“, der entsteht nämlich vor laufender Kamera und auf offener Bühne. Scheinbar geben sich die Eliten mittlerweile gar keine Mühe mehr, verdeckt zu planen – frech, wie ich finde.

Im Juni 2020 kam das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum WEF) virtuell zusammen, um über die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu diskutieren und stellte dabei eine neue Initiative vor: „The Great Reset“ – „Der Große Umbruch“. Die befasst sich in erster Linie mit der Frage, wie die Weltwirtschaft nach der Pandemie gerechter und nachhaltiger gestaltet werden könnte. Na, das klingt doch erstmal gar nicht nach böser Weltverschwörung, aber warten wir mal ab.  

Wissen macht Au!

Hier kommt jetzt auch unser rüstiger Ravensburger ins Spiel: Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums, veröffentlichte im Juli 2020 gemeinsam mit dem Autor Thierry Malleret ein Buch mit dem Titel „Covid-19: Der Große Umbruch“. Im Grunde geht es den Verfassern dabei darum, dass die Corona-Pandemie nicht nur negative Auswirkungen nach sich zöge, sondern auch als Chance gesehen werden könne, um Wirtschaft neu zu denken. Gemeint war, dass Unternehmen nicht mehr nur auf die Maximierung ihrer Profite achten, sondern auch andere Themen, wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Arbeitsbedingungen in den Fokus stellen sollten.  

Komisch, auch beim Inhalt dieses Buches ist erstmal kein fieser Masterplan der Eliten zu erkennen. Doch nach all den Jahren im Rabbit Hole habe ich eines gelernt: Unterschätze niemals die kreative Kombinationsakrobatik von Verschwörungsgläubigen in Krisenzeiten. Die sehen in der Corona-Pandemie nämlich eine gezielte Strategie, mit der die finanzielle und politische Weltelite ihre eigene Agenda durchsetzen wolle, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Um dafür Argumente zu sammeln, werden gekonnt einzelne Sätze und Aussagen aus dem Kontext gerissen und dienen als vermeintliche Beweise für die eigene Erzählung – leider gängige Taktik bei Verschwörungsideologien.  

Make Reset Great Again 

Ähnlich wie beim Corona-Virus gibt es bei diesem Verschwörungsmythos verschiedenste Varianten. Leider hilft bei den kruden Umbruchsfantasien jedoch keine FFP2-Maske. Die Vorwürfe reichen vom angeblich geplanten Autofahrverbot über Freiheitsberaubung bis hin zur Tötung von Haustieren für den Klimaschutz. Besonders häufig wird der „Great Reset“ als Startschuss für die „neue Weltordnung“ angesehen.  Das angebliche Ziel dieses Klassikers: die Errichtung einer autoritären, supranationalen Weltregierung.  

Neben Klaus Schwab als Hauptverdächtigen werden auch die üblichen antisemitischen Narrative bespielt und es wird von „Zionisten“, den Rothschilds oder George Soros als „Strippenzieher“ gemunkelt. In diesem Zuge werfen Verschwörungsgläubige gern auch noch den rassistischen Mythos des „großen Austauschs“ mit in den Topf. Interessanterweise variieren die Erzählungen rund um den „Great Reset“ je nachdem, in welchem Land sie verbreitet werden. In Deutschland und Europa besteht eher der Glaube an eine Kontrollübernahme durch Konzerne und das Ende der Freiheit. In den USA hingegen wird Schwab vorgeworfen, den Sozialismus einzuleiten, indem er die Enteignung der Konzerne fordere. Bei einer Sache herrscht jedoch transatlantische Einigkeit: Klaus Schwab und das WEF sollen Böses im Schilde führen.  

Am Ende gesellt sich der Aufbau rund um den „Great Reset“ bestens zum typischen Handwerkszeug zahlreicher weiterer Verschwörungserzählungen. Prominente Treffen wie die des Weltwirtschaftsforums in Davos oder die Bilderberg-Konferenz eignen sich perfekt, um daraus eine meist antisemitische Erzählung zu spinnen. Auch globale Ereignisse wie Pandemien, Naturkatastrophen oder Anschläge bilden optimale Aufhänger für angebliche Weltverschwörungen. Der „große Umbruch“ bietet hierbei sogar beides an und hat es traurigerweise auch längst in den Mainstream und in rechtsextreme Lager der Politik geschafft. Ein „Reset“ mag überlasteten Elektrogeräten bei fehlerhafter Funktionsweise helfen, beim gefährlichen Mythos des „Great Reset“ gilt allerdings nur eines: endgültig herunterfahren.  

Quellen

Laborberichte

Trends

auf einem Blick

Darum geht’s

Es wird behauptet, dass Klaus Schwab gemeinsam mit dem Weltwirtschaftsforum eine neue Weltordnungzugunsten der Elite und auf Kosten der Bevölkerung einführen wolle. Um diesen Plan des „Great Resetflächendeckend umzusetzen, soll die Corona-Pandemie erfunden und als Vorwand genutzt worden sein

Pro

Der Mythos rund um Klaus Schwabs Buch „COVID-19: Der Große Umbruch“ zeigt, dass es sich lohnt, mehr als nur den Klappentext zu überfliegen. Wer lesen kann, ist hier nicht nur klar im Vorteil, sondern spart auch ordentlich Alufolie. 

Kontra

  • Bei der Initiative „The Great Reset“ des Weltwirtschaftsforums und Klaus Schwabs Buch „Covid-19: Der große Umbruch“ handelt es sich nicht um die geplante Einführung einer „neuen Weltordnung“, sondern darum, wie die Weltwirtschaft nach der Pandemie nachhaltiger und gerechter gestaltet werden könnte.

  • Bilder von Klaus Schwab in schwarzer Robe sollen als Beleg für eine „satanische“ Bedrohung gelten. Die Robe stammt allerdings aus keiner diabolischen Sekte, sondern wird an der Technischen Universität Kaunas in Litauen zu feierlichen Anlässen getragen. Schwab trug sie dort, als er 2017 die Ehrendoktorwürde verliehen bekam.

  • Erfundene und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und Bilder werden gezielt genutzt, um Unwahrheiten zu verbreiten

  • Je nach Land variieren die Verschwörungsnarrative zu den angeblichen Zielen des „Great Reset“. Hier findet man schwammige Spekulationen statt eindeutiger Fakten.

  • Treffen wie das des Weltwirtschaftsforums oder auch die Bilderberg-Konferenz, bei denen Personen aus Wirtschaft und Politik zusammenkommen, werden häufig verwendet, um daraus Verschwörungserzählungen zu stricken.

  • Beim „Great Reset“ wird auf die Erzählung einer „jüdischen Weltverschwörung“ angespielt und diese neu erzählt. Mithilfe alter antisemitischer Stereotypen wird behauptet, dass der Kommunismus oder das Weltjudentum eingeführt werden würde.

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