Der Fabulant

Illuminaten:
Kontrollzwang im Namen der Erleuchtung

Lie fast, die young: Vom kurzlebigen Studentenclub zum Verschwörungspopstar

Zeichnung des Auges der Vorsehung; Copyright healthy999 via Pixabay

Versteckte Codes, kalkulierte Katastrophen und ein besessener Philosoph, der vor 250 Jahren die Menschheit lenken wollte: Das alles und noch viel mehr ist Teil des legendären Mythos um den wohl populärsten Geheimbund auf dem Markt der Verschwörungen: den Illuminatenorden. Was eher als studentischer Kaffeeklatsch begann, wurde über die letzten Jahrhunderte zur alles kontrollierenden Supermacht hochfantasiert. Folgt man den konstruierten Hinweisen durch die Geschichte des Ordens wird bei der Story um die allmächtigen Strippenzieher schnell klar: Wahres ist hier Rares.

Auf zum Unterwandertag!

Die Illuminaten-Story beginnt 1776, als der Professor für Kirchenrecht und Philosophie, Adam Weishaupt, an der Universität Ingolstadt den Bund der Perfektibilisten (von lateinisch perfectibilis: zur Vervollkommnung befähigt) gründet. Zunächst wollte Weishaupt seinen Studenten damit aufklärerische und kirchenkritische Literatur zugänglich machen und die bestehende Ordnung von Monarchie und Fürstentümern in Frage stellen. Außerdem war ihm der damals aufstrebende und antiaufklärerische Orden der Freimaurer ein Dorn im „allsehenden Auge". Daher beschloss er, diesem „Übel“ den Kampf anzusagen. Und wo findet man am besten neue Clubmitglieder? Logisch, bei der Konkurrenz! Gemeinsam mit seiner Gefolgschaft unterwanderte er erfolgreich mehrere Freimaurerlogen, um deren Anhänger abzuwerben. Nach einer Reorganisation im Jahr 1778 war klar: ein Rebranding muss her! Weishaupt schlug damals den Namen „Bienenorden“ vor, weil ihm vorschwebte, dass die Mitglieder unter der Leitung einer Bienenkönigin den Nektar der Weisheit sammeln sollten. Letztlich fiel die Wahl dann aber doch auf „Illuminatenorden“, die „Erleuchteten“. Schade eigentlich – Biene Maja hätte den männerdominierten Laden als Königin wohl gerne einmal aufgemischt.

Um sein Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft zu erreichen, setzte Weishaupt auch auf prominente Unterstützung. Der Geheimbund rekrutierte mit Erfolg in gehobenen Kreisen von Justiz, Verwaltung und Hochschulen. Sogar Johann Wolfgang von Goethe war offizielles Mitglied bei den Illuminaten, allerdings sind seine Motive bis heute umstritten: Angeblich trat er nur bei, um den Orden auszuspionieren. So oder so, als Inspiration für das ein oder andere Drama hat Goethes Teilnahme bei den Erleuchteten wohl nicht geschadet. Für die Umsetzung seiner Vision hatte Weishaupt klare Vorstellungen: Transparenz und Demokratie hatten für ihn keinen Platz am Tisch des Weltgeschehens. Lediglich die aufgeklärte Elite sollte über die naiven Schäfchen der Menschheit wachen und deren Schicksal in die richtigen Bahnen lenken – alles im Geheimen versteht sich. Im Inneren des Ordens wehte indes ein eiskalter hierarchischer Wind. Jedes Mitglied musste seine Aktivitäten bei einem Ranghöheren rechtfertigen und durfte nicht mehr an Wissen besitzen, als seiner Position zugetraut wurde. Bespitzelung und Verrat waren dabei an der illuminatischen Tagesordnung. So viel zur „herrschaftsfreien“ Gesellschaft…

Wenn sich zwei streiten, freut sich der Knigge

So sehr man sich im Hause Illuminati auch um eine harmonische Zusammenarbeit bemühte, es wollte einfach nicht gelingen: chaotische Strukturen und inhaltliche Meinungsverschiedenheiten ließen die Illuminatoren-Pyramide immer mehr ins Wanken geraten. Vor allem für den führenden Strukturgeber des Ordens, Adolph Freiherr Knigge, waren Weishaupts Kontrollzwang und seine strikten Methoden unerträglich. Nach zahlreichen Streits folgte der Austritt Knigges sowie einiger weiterer Mitglieder und schließlich auch die unerwünschte Aufmerksamkeit der bayerischen Behörden. Der Regierung gefiel nämlich gar nicht, was der Orden da hinter verschlossenen Türen so trieb. 1784 wurden daher alle Geheimgesellschaften verboten und 1785 kam zu diesem Verbot sogar explizit die Nennung der Illuminaten hinzu. Die Folge: Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Weishaupt verlor seine Professur. Die beschlagnahmten Dokumente veröffentlichte die bayerische Regierung 1787 und reihte sie in eine Flut von teils sensationsgierigen Publikationen über die Illuminaten ein – das PR-Desaster war perfekt. Damit gingen den Erleuchteten endgültig die Lichter aus und der Orden war nach überschaubarer Blütezeit erledigt.

Das Drama um den Geheimbund löste europaweit aufgeheizte Diskussionen aus: Liberale erkannten darin eine Verschwörung der Jesuiten und konservative Verlage stürzten sich auf die Legende eines düsteren und bösen Geheimbundes. Nach der Französischen Revolution 1789 suchte man vor allem in der angelsächsischen Welt nach intriganten Sündenböcken für den Sturz der 900-jährigen Monarchie. Diese lieferte der Publizist und Geistliche Augustin Barruel 1797/1798 mit seinem Pamphlet „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus“. Darin stellte er die Erleuchteten unter anderem als skrupellose Satanisten dar und machte sie für die Revolution verantwortlich. Das Werk wurde in zehn Sprachen übersetzt und lieferte vorrangig in den USA reichlich Zündstoff für eine rege Illuminaten-Hysterie.

Seinen antisemitischen Anstrich bekam der anti-illuminatische Verschwörungsglaube vor allem im Laufe des 19. Jahrhunderts, als behauptet wurde, dass das „Weltjudentum“ und die Freimaurer bzw. die Illuminaten unter einer Decke stecken würden und letztlich identisch seien. Es entstand die Idee einer freimaurerisch-jüdischen Verschwörung. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden angebliche Verbindungen der „Protokolle des Weisen von Zion“ zu den Illuminaten hergestellt, was den Glauben an eine “jüdische Verschwörung” innerhalb des Ordens aufflammen ließ. Das vermeintliche Ziel: die Kontrolle der Finanzwelt und der internationalen Politik. Für Verschwörungsgläubige waren seither Illuminaten, Freimaurer oder auch das „Weltjudentum" gern genutzte Feindbilder in der Rolle als manipulative Elite im Verborgenen.

Richter und Lenker

Den starken Einfluss auf die heutige Popkultur verdankt der Illuminaten Mythos vor allem den beiden Playboy-Redakteuren Robert Shea und Robert Anton Wilson. In der „Illuminatus!“-Trilogie griffen sie die wildesten Verschwörungserzählungen aus eingegangenen Leserbriefen auf und integrierten diese satirisch in ihre Science-Fiction Romane. Kreative Idee, doch aus Spaß wurde schnell Ernst: Bis heute werden die meist fiktiven und sarkastischen Erzählungen der Bücher von Verschwörungsgläubigen als schlüssige Fakten interpretiert. Jedes einschneidende Ereignis der Weltgeschichte stammt ihrer Meinung nach aus der blutgetränkten Feder der allmächtigen Illuminaten: Egal ob Oktoberrevolution, Zweiter Weltkrieg, 9/11 oder der Titanic-Untergang – alles deutet angeblich auf die Machenschaften der intriganten Schattengesellschaft hin.

Wenn sie nicht gerade Regierungen stürzen oder Schiffe versenken, sollen die Erleuchteten überall ihre geheimen Symbole verstecken: Eulen, Pyramiden und vor allem die ominöse Zahl 23 tauchen scheinbar immer wieder auf Dollarnoten, an Gebäuden und in historischen Daten auf. Auch der Thriller „The Da Vinci Code“ von Bestsellerautor Dan Brown lädt Verschwörer:innen aus aller Welt zur heiteren Schnitzeljagd nach versteckten Zeichen ein. Das Illuminaten-Franchise gehört mittlerweile so sehr zum Mainstream, dass es vielleicht sogar dem ein oder anderen Verschwörungsfan schon zu langweilig geworden sein könnte. Aber wie kreiert man eigentlich aus einem kurzlebigen Chaosclub einen derart beliebten Mythos? Ganz einfach: Man nehme einen kochenden Topf voll absurder Verschwörungsnarrative, gebe einen Schluck Paranoia hinzu und verfeinere das Ganze mit einer hauchdünnen Prise historischer Fakten – et voila: fertig ist der „Illuminatea“. Hat leider häufig einen antisemitischen Beigeschmack und ist schwer genießbar. Da helfen nur noch einige Stück Zucker – wie wär’s mit 23? Wohl bekomm‘s!

Quellen

Laborberichte

Trends

auf einem Blick

Darum geht’s

Die Illuminaten, oft auch gleichgesetzt mit einem „Weltjudentum“, werden als eine geheime, hoch manipulative Elite beschrieben, welche die Welt regiert und überall in geheime Machenschaften verwickelt ist.

Pro

Ein Hoch auf die illuminatische PR-Abteilung: Wer es trotz internem Chaos und rekordverdächtig kurzer Lebensdauer (keine 10 Jahre!) schafft, eine solche Reputation aufzubauen, hat sich diverse Hollywood-Verfilmungen mit Tom Hanks doch redlich verdient. Chapeau!

Kontra

  • Freimaurer und Illuminaten werden fälschlicherweise im geschichtlichen Verlauf gleichgesetzt.

  • Es existiert kein einziger wissenschaftlicher Beleg für das Weiterbestehen des Ordens nach 1790.

  • Viele vermeintliche Einflussbereiche der Illuminaten entstammen fiktiver Unterhaltungsliteratur oder Schmähschriften.

  • Die Gründung der USA durch Illuminaten ist schlicht unmöglich, da der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg bereits 1775 begann, die Illuminaten sich aber erst 1776 gründeten.

  • Eine verdächtigte Freimaurerloge namens „Les Illuminés“ (die Erleuchteten) zur Zeit der Französischen Revolution war sehr klein, wenig einflussreich und vertrat einen völlig anderen Ansatz als den der Illuminaten.

  • Die Zahl 23 steht in keinem faktischen Zusammenhang mit den Illuminaten. Hier spielt die selektive Wahrnehmung vielen Anhänger:innen einen Streich.

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