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Das Geschäft mit der Stromverlustangst
Wo wart ihr eigentlich während des letzten großen Blackouts in Deutschland? Habt ihr gar nicht mitbekommen? Komisch, dabei wird doch seit geraumer Zeit immer wieder Angst vor solch einem großflächigen Stromausfall geschürt. Zumindest laut rechtspopulistischen und verschwörungsideologischen Kreisen müsse sich Deutschland längst auf den apokalyptischen Ernstfall einstellen. Na, da schauen wir uns doch mal an, was bei der Blackout-Diskussion eher ausgeht: unsere Lichter oder die Argumente.
Dass man mit Ängsten wunderbar Stimmung für die eigene Agenda machen kann, ist ja mittlerweile ein alter Hut. Da ist die „Bedrohung durch den großen Blackout“ natürlich keine Ausnahme. Zugegeben, die Vorstellung eines großflächigen und langanhaltenden Stromausfalls ist schon gruselig, denn das würde unsere Zivilisation tatsächlich vorübergehend lahmlegen. Beispielsweise wäre die Versorgung mit Wasser, Heizung und Lebensmitteln stark beeinträchtigt. Auch Krankenhäuser und andere essenzielle Infrastrukturen könnten nicht mehr ausreichend betrieben werden. Wir würden wortwörtlich im Dunkeln tappen. Aber wie realistisch ist das wirklich und wer soll eigentlich hinter der Blackout-Bedrohung stecken?
Im Zentrum gezielter Panikmache steht häufig die Kritik an der aktuellen Energiepolitik und die Behauptung, Deutschland könne aufgrund des hohen Anteils erneuerbarer Energien die Stromversorgung nicht mehr zuverlässig aufrechterhalten. Spoiler: Dafür gibt es keine Belege. Vor allem seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der damit einhergehenden geringeren Gasversorgung aus Russland kursieren zahlreiche Verschwörungsmythen und Falschinformationen im Netz. Könnten denn „die da oben“ etwas damit zu tun haben?
In den sozialen Medien wird dabei immer wieder vor einem großen Totalausfall und dem Zusammenbruch des „Systems“ gewarnt. Hierbei vermuten manche die bösen Machenschaften von mächtigen Eliten. So soll der große Blackout gezielt und streng geheim von ganz oben geplant werden, um eine „neue Weltordnung“ oder den „Great Reset“ einzuleiten. Spätestens hier brennen die antisemitischen Verschwörungsleuchten lichterloh. Das vermeintliche Eintreffen für den drohenden Blackout wird allerdings immer wieder nach hinten verschoben. Flughafen BER, bist du’s?
Neben der politischen Instrumentalisierung des Blackouts gegen die Energiewende, lässt sich mit der Panikmache aber auch richtig Geld verdienen. Auf Telegram geistern zahlreiche Verkaufslinks durch verschwörungsnahe Gruppen, und preisen verschiedenste Produkte als notwendige Vorbereitung auf den Blackout an. So kann man dann beispielsweise gemütlich im Wald am „kraftvollen Allesbrenner“ sitzend den Weltuntergang genießen. Camping-Sehnsucht trifft Endzeitfantasie. Hier kuschelt sich berechtigte Vorsorge gemeinsam mit „Preppern“, Verschwörungsmythen und Extremismus ans lauschige Lagerfeuer. Die Blackout-Panik machts möglich.
Entgegen den düsteren Endzeitprophezeiungen gab es solch einen befürchteten großflächigen Stromausfall in Deutschland bisher nicht. Anders sah es allerdings im Frühjahr 2025 in Spanien und Portugal aus. Hier legte ein massiver Stromausfall weite Teile der iberischen Halbinsel lahm. Ist so eine Katastrophe also auch in Deutschland denkbar? Hier sind sich viele Expertinnen und Experten einig: Ein solcher Blackout wäre in Deutschland eher unwahrscheinlich. Das deutsche Stromnetz verfügt über mehrere Sicherungssysteme und kann bei einem Leitungsausfall auf andere Leitungen ausweichen. Auch wird immer wieder behauptet, dass ein Energiemangel, also zu wenig Stromerzeugung, einen Blackout in Deutschland verursachen könnte. Das ist ebenfalls nahezu ausgeschlossen, da die Ursachen für Stromausfälle eher bei der Übertragung liegen, wenn beispielsweise wichtige Leitungen ausfallen.
Es gibt aber auch Stimmen, die die Gefahr deutlich höher einschätzen und darauf hinweisen, dass der Mangel beim Gas, ein altersschwaches Stromnetz und die steigende Auslastung zumindest die Gefahr eines Blackouts steigern könnte – je nachdem wie sich der zukünftige Netzausbau in Deutschland entwickelt. Trotz der geringen Wahrscheinlichkeit eines Blackouts gibt es natürlich keine absolute Sicherheit. Daher ist es definitiv keine schlechte Idee, sich im angemessenen Rahmen auf eine mögliche Notfallversorgung vorzubereiten. Das gilt aber für alle Katastrophenszenarien und wird so auch vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfohlen. Sich vorsorglich mit dem Thema Blackout auseinanderzusetzen kann also sinnvoll sein, wenn es nicht für politische Panikmache, verschwörungsideologische Narrative oder Profitgier ausgenutzt wird. Ach ja, gibt’s Möhren eigentlich auch aus der Dose? Ich frage für einen Freund.
Tagesschau. (19.02.2025). Die Panikmache mit den Blackouts. Abgerufen am 23.06.2025, von https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/blackout-110.html
Correctiv. (19.02.2022). Blackout: Wie das Katastrophenszenario eines Stromausfalls für Panikmache und Profit genutzt wird. Abgerufen am 23.06.2025, von https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2022/08/19/blackout-wie-ein-katastrophenszenario-eines-grossflaechigen-stromausfalls-fuer-panikmache-und-profit-instrumentalisiert-wird/
BR24. (08.10.2021). Verschwörungsgläubige und die Sehnsucht nach dem „Weltuntergang“. Abgerufen am 23.06.2025, von https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/verschwoerungsglaeubige-und-die-sehnsucht-nach-dem-weltuntergang,Sl9OX3O
BR24. (29.04.2025). Netzagentur: Stromausfall wie in Spanien unwahrscheinlich. Abgerufen am 23.06.2025, von https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bundesnetzagentur-stromausfall-wie-in-spanien-unwahrscheinlich,Ujgx2Js
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. (10.07.2024). Stromausfall. Abgerufen am 23.06.2025, von https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Kritische-Infrastrukturen/KRITIS-Gefahrenlagen/Stromausfall/stromausfall.html