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Wenn Mobilfunk zu einem Universal-Feind wird
Seit 2019 gibt es einen neuen funkelnden Stern am Himmel der Verschwörungsfeindbilder: 5G. So unscheinbar der neueste Mobilfunkstandard daherkommt, so universell ist die Zerstörungskraft, die ihm nachgesagt wird: er soll Vögel, Bienen und Fische durch Mikrowellenstrahlen töten, das menschliche Immunsystem schwächen und die Covid-19-Pandemie ausgelöst haben. Dies ist der Auftakt für eine epische Suche nach dem unsichtbaren Feind!
Der Mythos über die gefährlichen 5G-Strahlen kochte gleich nach Ankündigung der geplanten Verbreitung des Mobilfunkstandards hoch. Weil 5G wegen seiner höheren Frequenz im Vergleich zu 3G oder 4G eine geringere Reichweite hat, müssen viele neue Sendemasten erbaut werden: an Haltestellen, Laternen und Häuserwänden. Eine Petition zum Beispiel zur historischen Erhaltung von Innenstädten ohne schnelles Internet war einigen offenbar zu unspektakulär. Da erfanden sie lieber die Saga über einen bedrohlichen, digitalen Schatten, der sich zerstörerisch über die Ballungszentren legt und einer Pandemie den nötigen Auftrieb verpasste. Bei der Verbreitung des Mythos kommen den 5G-Gegner:innen jedoch ausgerechnet ihre Smartphones und der Unlimited-Datenvertrag zugute! Falschmeldungen über abgestürzte Vogelschwärme und gestrandete Fische in der Nähe von 5G-Masten verbreiten sich auf Facebook und Telegram nunmal am besten. Da beißt sich die Katze mal wieder in den Schwanz!
Nun ja, Inkonsequenz kennen wir ja schon aus anderen Erzählungen, wie zum Beispiel dem Mythos über die Neue Weltordnung oder Hightech-Nazis im ewigen Eis. Abgesehen davon überzeugt das Motiv eines unbesiegbaren Feindes, der an irgendwelchen Orten Tiere sterben und eine Pandemie ausbrechen lässt, nur sehr schwer. Enttäuscht stellt man als mäßig interessierter Leser fest, dass es sich bei der 5G-Saga nur um einen weiteren Groschenroman aus der unendlichen Reihe zum unübersichtlichen Imperium des Staates im Staat handelt und von ein paar der verschwörungsraunenden All-Stars verbreitet wird: vorn mit dabei QAnon und Impfgegner:innen.
Die 5G-Saga ist also ein erneuter Versuch, alte Mythen in ein neues, urban anmutendes Gewand zu kleiden, ohne sich die Mühe zu machen, die Ausgestaltung des Feindbildes ausreichend anzupassen, sodass man vom Verlauf der Erzählung überrascht wäre. Dabei wird der eigentliche Schrecken von schnellem Internet auch noch komplett ausgeblendet: noch mehr Falschmeldungen landen in noch schnellerem Tempo in euren Hostentaschen und ihr noch schneller am Abgrund des Rabbit Hole! Und dagegen steh‘ ich mit meinem Namen.
Quarks: „Ist das neue Mobilfunknetz 5G gefährlich?“
Correctiv: „Droht die „5G-Apokalypse“? Wie derzeit Stimmung gegen den neuen Mobilfunkstandard gemacht wird“
Correctiv: „Keine Belege, dass die Strahlenbelastung durch 5G zunehmen wird“
Correctiv: „Nein, Vögel in Nordwales fielen nicht „wegen einer 5G-Anlage“ tot vom Himmel“
Correctiv: „Virales Video aus Kalifornien: Nein, diese Bienen sind nicht wegen 5G-Strahlung gestorben“
Deutschland sprich über 5G: „Schwächt 5G unser Immunsystem?“
Mimikama.org: „5G und Coronavirus: Kein Zusammenhang!“
Europäische Kommission: „Coronakrise : Gibt es einen Zusammenhang zwischen Covid-19 und 5G?“
Correctiv: „Falsche Spekulationen: 5G ist nicht Schuld an Todesfällen durch das Coronavirus“
Bild: Leo Patrizi via Canva