Der Fabulant

Reichsflugscheiben:
Nazi-UFOs im Aufwind

Sie kommen weder in Frieden noch in die Geschichtsbücher

Wir alle kennen sie, die Geschichten von geheimnisvollen fliegenden Untertassen, die durch die Lüfte gleiten sollen. Hinterm Steuer eines solchen unbekannten Flugobjekts würden die meisten UFO-Fans wohl klassischerweise außerirdische Wesen vermuten. Beim Mythos um die sogenannten „Reichsflugscheiben“ sieht das jedoch ganz anders aus. Hier findet man nur braune Märchen statt grüner Männchen. Von dieser absurden Story über Nazi-UFOs, geheime Eisfestungen und Alien-Technologie können sich so manche Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren noch eine (Flug-)Scheibe abschneiden.

Alles dreht sich um die Scheibe

Die Erzählung über die angebliche von den Nazis konstruierten Flugscheiben begann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In den USA brach gerade die erste Welle der UFO-Hysterie aus, als dort erstmals unbekannte Flugobjekte gesichtet worden sein sollen. Ab diesem Zeitpunkt beschränkte sich die Wahrnehmung von Untertassen nicht mehr nur auf gediegene Kaffeekränzchen und es kam zu zahlreichen vermeintlichen UFO-Sichtungen. Hinzu kam der Umstand, dass alle Unterlagen zu Luftfahrtprojekten des nationalsozialistischen Deutschen Reichs durch die Siegermächte von 1945 bis in die 1960er-Jahre beschlagnahmt wurden. Für manche eine willkommene Einladung, dieses Mysterium mit allerlei Spekulationen zu befüllen. Da haben wir den Scheibenkleister.

Während in den USA das Alien-Jagdfieber ausbrach, entstanden in Deutschland und Europa wilde Fantasien von geheimen Konstruktionsplänen der Luftwaffe. In zahlreichen Boulevardmedien wurde immer wieder vermutet, die Nazis hätten an außergewöhnlich schnellen und wendigen Flugscheiben gearbeitet. Ganz im Sinn der steigenden Auflagenzahlen tauchten in der Presse dann immer weitere vermeintliche Baupläne auf und es wurden Konstrukteure und Piloten dazuerfunden, die angeblich an den Führer-Frisbees beteiligt gewesen sein sollen. Schließlich betraten auch reale Personen die Improtheaterbühne und gaben an, sie hätten am geheimen Reichsflugscheiben-Projekt mitgearbeitet. Die Beweislage der Behauptungen passte dabei ausgezeichnet zum Scheibennarrativ: äußerst dünn.

Wer fliegt so spät durch Nacht und Wind? Es ist die Scheibe, die Lügen spinnt

In den darauffolgenden Jahren wurde das Thema rund um die Nazi-UFOs immer wieder aufgegriffen und verschiedenste Medienhäuser schrieben plump voneinander ab. So gelangte der Mythos immer weiter in den Mainstream und wenige Halbwahrheiten vermischten sich mit zahlreichen Lügen zu einem braunen Verschwörungskompott. In pseudowissenschaftlicher Literatur gelten die „Reichsflugscheiben“ bis heute als Paradebeispiel für „Nazi-Technologie“ und sind auch unter diversen anderen Bezeichnungen wie Rundflugzeug, Projekt Feuerball, Düsendiskus, Haunebu, Andromeda-Gerät, Flugkreisel, Kugelwaffe, Die Glocke oder Vergeltungswaffe 7 (V7) bekannt. Also aus meiner Sicht wäre bei der Namensgebung – ähnlich wie bei der Flughöhe – noch Luft nach oben gewesen. Klassische geschichtsrevisionistische Erzählung eben.

Vor allem in rechtsextremen und rechtsesoterischen Kreisen werden die „Reichsflugscheiben“ liebend gerne in wirre Verschwörungsmythen eingebaut. So landen die Nazi-UFOs beispielsweise auch im legendären Mythos „Neuschwabenland“, bei dem SS-Leute gemeinsam mit Hitler nach dem zweiten Weltkrieg in die Antarktis geflohen seien sollen, um in unterirdischen Eisbunkern ihren Gegenschlag vorzubereiten. Auch der angebliche Kontakt zu Aliens, Echsenmenschen und zur „hohlen Erde“ darf bei der Erzählung rund um die Fascho-Flugscheiben nicht fehlen. Wem das nicht reicht, der kann sich noch eine geheime Nazi-Militärbasis auf der dunklen Seite des Mondes zusammenfantasieren. Aus popkultureller Sicht bieten diese Storys seit langem ausreichend Stoff für Bücher, Filme und Videospiele. Letztlich sind die „Reichsflugscheiben“ ein Musterbeispiel dafür, wie erfolgreich Fake News sein können – und das sogar schon vor der Zeit des Internets.

Quellen

Rheinische Post. (21.08.2023). „Nazi-Ufos“: Kleine braune Männchen. Abgerufen am 28.10.2024, von https://rp-online.de/panorama/wissen/kleine-braune-maennchen-vom-ufo-zur-nazi-reichsflugscheibe_aid-94995347

MDR Wissen. (18.12.2022). Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO. Metamorphosen eines medialen Phantoms. Abgerufen am 28.10.2024, von https://www.mdr.de/wissen/buchempfehlung-deutsche-flugscheibe-nazi-ufo100.html

VDI Nachrichten. (09.11.2022). Reichsflugscheiben: Historiker entzaubert den Mythos der Nazi-Ufos. Abgerufen am 28.10.2024, von https://www.vdi-nachrichten.com/technik/technikgeschichte/reichsflugscheiben-historiker-entzaubert-den-mythos-der-nazi-ufos/

Bild: Canva

auf einem Blick

Darum geht’s

Eine Legende von scheibenförmigen Fluggeräten, den sogenannten „Reichsflugscheiben“, die angeblich im nationalsozialistischen Deutschen Reich gebaut und getestet worden sein sollen.

Pro

Ach, was für eine schöne Vorstellung, wenn alle Nazis einfach in eine große Flugscheibe steigen und in eine weitentfernte Galaxie fliegen würden. Wer weiß vielleicht finden sie dort ja ein braunes, äh schwarzes Loch

Kontra

  • In der Forschungsliteratur werden keinerlei Pläne erwähnt, die sich in irgendeiner Form mit der Konstruktion von Flugscheiben oder Flugkreiseln auseinandersetzen. Kein Wunder, denn von allen denkbaren Formen für ein Fluggerät ist der Kreis aerodynamisch gesehen die denkbar ungünstigste

  • Die einzigen historisch nachweisbaren deutschen Fluggeräte, die zumindest mit kreisförmigen Flügelflächen ausgestattet waren, sind die Prototypen Sack AS-6 und deren Vorläufer. Diese flogen jedoch niemals erfolgreich.

  • Diverse Medien druckten die erfundenen Nazi-UFO-Geschichten ohne überprüfbare Quellen ab. Die Veröffentlichungen dienten dann anderen Blättern als Vorlage. Dabei kam jeder neue Artikel mit zusätzlichen Details über die Flugscheiben um die Ecke.

  • Die Berichterstattung über deutsche „Wunderwaffen“ wie den Marschflugkörper V1 beflügelten die Spekulationen rund um den Bau der Reichsflugscheiben.

  • Die angeblichen Projektpläne der Flugscheiben variieren extrem und trotzen jeglicher Physik und Logik. Mal sind die Reichsflugscheiben gewaltige Kreisel mit 50 Metern Durchmesser. Dann wieder sind die Flugscheiben eher klein, wobei die Scheibe selbst eine Art riesiger Propeller sein soll.

  • Neben der scheibenförmigen Bauform werden den UFOs auch enorme Flugleistungen zugeschrieben, die auf einer fortschrittlichen, bis heute nicht bekannten oder auch geheimgehaltenen Technologie beruhen würden. Hier verschwimmen ebenfalls die Grenzen zwischen Physik, Fiktion und Fälschung.

  • Als Antrieb der Flugscheiben wird häufig die sogenannte Repulsine genannt. An dieser alternativen Antriebstechnik wurde tatsächlich im Dritten Reich geforscht. Ziel war es die Schwerkraft durch sogenanntes „freies Schweben“ zu überwinden. Ihre Funktionstüchtigkeit konnte allerdings nie nachgewiesen werden.

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