Der Fabulant

Neuschwabenland
Nazis on the rocks

Wozu braucht man noch U-Boote, wenn man Ufos haben kann?

Antarktis; Copyright Derek Oyen via Unsplash

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stellte sich die Welt eine Frage: Was geschah mit Hitler? Mit einer besonders kreativen wie absurden Alternative zur offiziellen Geschichtsschreibung tat sich der Journalist Ladislas Szabo hervor. Er ging nicht nur von einer Flucht Hitlers in einem U-Boot aus, sondern vermutete dessen Ziel auch in der Antarktis. Dies war die Geburtsstunde der „Neuschwabenland“-Verschwörungserzählungen, die in den folgenden Jahren um allerlei rechtsideologische Geschichten ergänzt wurden.

Da war doch dieses Schiff…

Doch fangen wir am Beginn der Erzählungen an: 1938/39 brach das Expeditionsschiff „Schwabenland“ in die Antarktis auf, um neue Gebiete für den Walfang zu entdecken. Die Nazis erklärten das Territorium, das heute unter dem Namen Königin-Maud-Land bekannt ist, als „Neuschwabenland“. Daraufhin wurde – und jetzt gelangen wir in den Bereich der Fiktion – angeblich in nur vier Wochen eine geheime Militärbasis in Höhlen unterhalb des antarktischen Festlandes errichtet und mit hochtechnologischer Ausrüstung ausgestattet. Ab hier teilen sich die verschiedenen Versionen in rechts-esoterisch eingefärbte Mythen und geschichtsrevisionistischen Erzählungen von einer unbesiegbaren Militärbasis der NS-Truppen. Variationen gibt es über die Fragen, ob es diese Basis heute noch gibt, ob Hitler es bis in die Antarktis geschafft hat und welche Erfindungen dort versteckt und gezielt eingesetzt wurden.

Hightech-Nazis?

„Neuschwabenland“ könnte eine Science-Fiction-lastige Erzählung über unbesiegbare Hightech-Nazis sein, bremst aber das eigene Potenzial gehörig aus. Auch wenn die menschenfeindliche Umgebung der Antarktis einen durchaus passenden Schauplatz für eine Niederlassung der Nazis darstellt, so stellt sich doch die Frage, warum ausgerechnet dieser Ort gewählt wurde, wenn dessen klimatische Besonderheiten das Leben schwer oder unmöglich machen? Warum wird Hitler nicht schockgefrostet, sondern versteckt sich nur in schnöden Höhlen, die noch nicht mal existieren? Aus meiner Sicht eine verpasste Chance für eine mahnende Metapher zum Schmelzen der Polkappen! Weitere Schwächen weist die „Neuschwabenland“-Erzählung in der Ausgestaltung der technologischen Mittel auf. Es wird von Highspeed-Flugscheiben und einem hochentwickelten Militär gesprochen. Kaum glaubhaft ob der Niederlage der Nazis im Zweiten Weltkrieg!

Zusammenfassend bietet „Neuschwabenland“ maximal kurzweilige Unterhaltung. Bei näherer Betrachtung werden schnell logische und erzählerische Lücken sichtbar. Hier wäre definitiv kein eigenstehendes Werk nötig gewesen, passt sich die Erzählung doch gut in bekannte Geschichten über Nazis auf dem Mond, Hitler in Argentinien und Nazis in der Hohlerde ein. Eine zusammengefasste Saga mit eindeutigeren Science-Fiction-Bezügen könnte hier Verbindungen schaffen, die in den einzelnen Geschichten keinen Platz finden.

Quellen

Summerhayes, C., & Beeching, P. (2007). Hitler’s Antarctic base: The myth and the reality. Polar Record, 43(1), 1-21. doi:10.1017/S003224740600578X

Bild: Derek Oyen via Unsplash

auf einem Blick

Darum geht’s

Die Erzählungen rund um Neuschwabenland drehen sich nicht nur um eine geheime Militärbasis unter der Eisdecke der Antarktis, sondern auch um einen unsterblichen Hitler, unbesiegbare NS-Truppen und Reichsflugscheiben.

Pro

Besserer Plot als der legendäre Film „Das Boot“. Eine echt abenteuerliche Reise unter Wasser. Eine demotivierte, kriegsmüde Besatzung, ein fanatischer 25-jähriger Kapitän auf seiner ersten Fahrt und ein schlecht gelaunter Hitler auf Entzug in Richtung ewiges Eis. Bernd Eichinger, wie wär‘s mit uns?

Kontra

  • Die U-Boote U-530 und U-977 kapitulierten im Juli und August 1945 im argentinischen Hafen Mar del Plata.

  • Die U-Boote hätten das Packeis vor dem antarktischen Kontinent nicht durchqueren können.

  • Im besagten Gebiet existieren weder unterirdische Höhlen noch Vulkane.

  • Weder die Ressourcen der „Neuschwabenland“ noch der U-Boote reichten für den Bau einer militärischen Basis.

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