Der Fabulant

Hohle Erde:
Überraschungsei oder Büchse der Pandorra?

Was geschieht, wenn alte Theorien zu neuen Fiktionen werden?

Gang in Eishöhle; Copyright Nicolas Häns via Unsplash

Aliens, Echsenmenschen und Nazis werden allerlei Wohnorte nachgesagt: auf dem Mond, in der Antarktis und seit Längerem auch direkt unter uns: in der hohlen Erde. Hineingelangen können die verschiedenen Wesen durch Löcher an den Polen oder unterirdische Tunnelsysteme in Bergen und Vulkanen. Doch woher kommt die Erzählung einer hohlen Kokosnuss-Welt?

Was ist rund und hohl?

Alles fing an, als der englische Astronom Edmond Halley 1691 falsche Schlüsse aus einer Erkenntnis Isaac Newtons zog: dieser berechnete, dass der Mond dichter als die Erde sei. Halley, der davon ausging, dass alle Himmelskörper aus der gleich dichten Materie bestehen, stellte daraufhin die These auf, dass die Erde hohl sein müsse. Dann ging die Fantasie etwas mit ihm durch und er beschrieb unsere Welt nicht nur als einen luftgefüllten Erdball, sondern entwickelte das Modell von gleich drei ineinander liegenden Welten. Als Beweis für die Matroschka-Erde führte er sehr starke Polarlichter im Jahr 1716 an. Diese sollten das Symptom von Lichtern im Erdinneren sein, die durch die dünnere Erdkruste an den Polen scheint. Nun ja, ich muss Edmond Halley an dieser Stelle in Schutz nehmen, denn wir haben es hier mit dem klassischen „Er wusste es doch nicht besser!“ zu tun. Wissenschaftliche Theorien sind dafür da, aufgestellt und entweder bestätigt oder widerlegt zu werden. Diese wurde zweifelsohne widerlegt, das wissen wir jetzt besser!

Ein Nazi, eine Echse und ein Außerirdischer kommen in einen leeren Raum…

Was sich jedoch danach aus der Annahme über die Hohle Erde entwickelte, ist beachtlich. Es folgten einige Verfechter der Theorie, Pläne für und tatsächlich durchgeführte Expeditionen und allerlei literarische, filmische und popkulturelle Umsetzungen der Idee. Letztere stellen die Erzählung dahin wo sie hingehört: in den Bereich der Fiktion. Was mit actionreichen Abenteuer-Geschichten bereits auserzählt ist, wird aus dem Bereich der rechts-esoterischen Verschwörungsmythen unnötigerweise noch düsterer gemalt. So sollen die alten Nazis rund um Hitler mit Reichsflugscheiben ins Erdinnere gelangt sein und dort auf der inneren Seite der Erdkruste mit einer hochgewachsenen Alien-Art (oder doch den Echsenmenschen?) im friedlichen Einklang zusammenleben. In der Mitte soll immerwährend eine kleine Sonne scheinen, die manche wohl ein bisschen zu sehr blendet. Womit wir jetzt nicht mehr nur über den Dichtegrad der Erde sprechen…

Insgesamt kann diese Variation der „Hohlen Erde“ nicht überzeugen, schon allein wegen der Widersprüchlichkeit zu vermeintlichen Nazi-Nachbarn im Keller unserer Welt, die Ausgestaltung des Wohnraums und die nicht näher beschriebenen Wasserrutschen an den Polen. Eine durchaus detailverliebtere Alternative stellt der Abenteuer-Klassiker „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von Jules Verne dar. Wem dort die Echsen fehlen, wird vielleicht mit dem Science-Fiction-Film „Godzilla vs. Kong“ aus dem Jahr 2021 glücklich. Zumindest glücklicher, als mit dem lückenhaften Mythos rund um die „Hohle Erde“.

Quellen

Brittnacher, H. R. (2016). Das Herz der Welt. Hohlwelt-Theorien in der Literatur-, Wissens- und Konspirationsgeschichte. In Das Unnütze Wissen in der Literatur (S. 25–44). Rombach Wissenschaft. https://doi.org/10.5771/9783968216706-25

deutschlandfunk: Die Idee von der hohlen Erde

Bild: Nicolas Häns via Unsplash

auf einem Blick

Darum geht’s

Die Erzählungen rund um die hohle Erde gehen davon aus, dass die Erde ausgehöhlt ist und in ihrem Innern Reptiloiden, unsterbliche Nazis oder Aliens leben.

Pro

Es handelt sich bei der „Hohlen Erde“ um einen immerwährenden Klassiker unter den Fantasy-Schauplätzen, der zum Selbst-Fabulieren einlädt und die Grenzen von Reisen auf und in unserem Planeten aufzeigt.

Kontra

  • Ungenaue Berechnung: Halleys Annahme über eine Hohle Erde stützt sich auf eine erwiesen ungenaue Berechnung Isaac Newtons. So besitzt der Mond nachweislich eine geringere mittlere Dichte als die Erde.

  • Auch in 12.262 Metern Tiefe gibt es kein Indiz für eine Hohlerde. So tief geht die tiefste Bohrung der Welt, die von 1970 bis 1992 auf der russischen Halbinsel Kola stattfand. Druck und Temperatur sorgten dafür, dass nicht tiefer gebohrt werden konnte. Menschliches Leben? Unmöglich.

  • Die Erde ist gefüllt, was Erdmaterialien beweisen, die durch Vulkane aus unterschiedlichen Tiefen an die Erdoberfläche befördert werden. „Plumes” stammt zum Beispiel aus bis zu 2.900 Kilometern Tiefe.

  • Es gibt einen inneren, festen Erdkern in 5.150 Kilometern Tiefe. Dies konnte bereits 1936 aus der Beobachtung von P-Wellen-Signalen geschlussfolgert werden (Seismologin Inge Lehmann).

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