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Wenn Hobbyforscher den Klimawandel vertagen
Wer rund um die Uhr schuftet, hat sich doch mal eine Auszeit verdient, oder? Das gilt auch für Stars und Sternchen. Vor allem aber für den Dauerbrenner unter den Sternen: die Sonne. Mit glühender Leidenschaft spendet sie uns seit Milliarden Jahren Licht und Wärme. Damit das Burnout des Gelben Zwergs noch ein bisschen ausbleibt, wird es daher Zeit für eine kleine Abkühlung. Positiver Nebeneffekt: Das Problem des Klimawandels scheint gelöst und die nächste Eiszeit kann kommen. Diese und andere Klimamärchen finden sich im Buch „Die kalte Sonne“ wieder. Ich komme jetzt schon ins Schwitzen…
Der Begriff „kalte Sonne“ wurde durch das 2012 erschienene Buch „Die kalte Sonne: Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“ von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning populär. Die Autoren behaupten darin, dass das Weltklima sich in den kommenden Jahrzehnten eher abkühlen als erwärmen werde, weil die Sonne in eine Art „Ruhephase“ eintrete. Verdient hätte sie es wie gesagt ja auch. Die krude These des Buches sagt dabei auch, dass der menschengemachte Einfluss auf das Klima durch Treibhausgasausstöße maßlos überschätzt und der Einfluss der Sonne unterschätzt werde. Die beiden Sonnenanbeter sind sich sicher: Uns steht die nächste „Kleine Eiszeit“ bevor und die Klimakatastrophe ist abgesagt.
Wie so oft verlaufen auch hier die Übergänge von Pseudowissenschaft und Verschwörungserzählungen fließend. So wird beispielsweise immer wieder von der „CO2-Lüge“ gesprochen, der Politik und Öffentlichkeit angeblich aufgesessen seien. Die Rede ist von gezielter Panikmache und starker Übertreibung, um Forschungsgelder abzugreifen oder politische Ziele durchzusetzen. Ein gefundenes Fressen für allerlei weitere Verschwörungsnarrative, die sich im Schatten der „kalten Sonne“ pudelwohl fühlen.
Manche treiben die Erzählung der „kalten Sonne“ sogar noch weiter auf die Spitze. Sie nehmen das ganze nämlich wörtlich und behaupten: Die Sonne sei eiskalt und dunkel. Argumentiert wird beispielsweise damit, dass das Universum ja auch stockdunkel und kalt sei, obwohl sich im selben Universum Billionen von Sonnen befänden. Ein weiterer messerscharfer Beweis soll sein, dass es auf Berggipfeln kälter ist als auf dem Boden, obwohl die ja näher an der Sonne sind. Was verschweigen uns „die da oben“ denn sonst noch? Ist der Mond vielleicht aus Käse?
Derartige Bücher wie das von Vahrenholt und Lüning sind im Bereich der Klimafaktenleugnung nichts Neues. Sie sind häufig so formuliert, dass sie für ein Laienpublikum plausibel und wissenschaftlich klingen sollen. Geschmückt mit zahlreichen Fußnoten und Grafiken, gaukelt „Die kalte Sonne“ Wissenschaftlichkeit vor, obwohl es ganz klar dem wissenschaftlichen Konsens der aktuellen Klimaforschung widerspricht. Hinzu kommt ein nicht ganz unwichtiges Detail: Die beiden Autoren sind keine wirklichen Klimaforscher, sondern stellten ihre „Nachforschungen“ privat in ihrer Freizeit an.
Am Ende bleibt die „kalte Sonne“ vor allem eins: bequeme Pseudowissenschaft. Wer an sie glaubt, kann sich einreden, dass die Natur schon alles richten wird, während die Temperaturen fröhlich weiter steigen. Mein Tipp: lieber auf dem Erdboden der Tatsachen bleiben, anstatt von der kalten Sonne zu träumen.
Klimafakten (o.D.): Wie redlich ist Vahrenholts Buch „Die kalte Sonne”?
Riethmüller, C. (2023): Wissenschaftsleugnung im neuen Gewand: Desinformation gibt sich seriöser
Umweltbundesamt (2023): Und sie erwärmt sich doch: Was steckt hinter der Debatte um den Klimawandel?
Mohn, C. (2012): Buch „Die kalte Sonne“: Vahrenholts krude Thesen zum Klimawandel
Deutschlandfunk Kultur (2012): Vahrenholt nicht „als Klimaforscher ausgewiesen“