Der Fabulant

Waren die Nazis links?

Mit Geschichtsverdrehung zur neuen Wirklichkeit

Es scheint in der menschlichen Natur zu liegen, ab und zu Dinge zu verwechseln oder sie durcheinanderzubringen. Da wird dann beispielsweise Zucker mit Salz vertauscht, dank Zahlendreher aufs falsche Konto überwiesen oder beim Abbiegen an der Kreuzung links und rechts verwechselt – man kennt’s. Im Rabbit Hole wird so eine scheinbar harmlose Rechts-Links-Schwäche allerdings schnell mal zum geschichtsrevisionistischen Verschwörungsmythos. Entgegen jeglicher Logik und historischer Fakten wird behauptet: Die Nazis, die waren doch eigentlich „links“. Ich kläre heute, was hinter der verdrehten Behauptung steckt und warum Hitler definitiv kein Kommunist war.  

Rot-Braun-Blindheit 

Ein „linker Nationalsozialismus“? Es klingt so gegensätzlich wie Tag und Nacht, doch genau dieser Mythos kursiert seit einiger Zeit vor allem in rechtsextremistischen Lagern. Was bei Hitler heute wohl cholerische Schnappatmung ausgelöst hätte, hat seit den 2000er Jahren vor allem ein Ziel: Die großen, allgemein verurteilten Diktaturen des 20. Jahrhunderts sollen ausschließlich, als „links“ dargestellt und die Verbrechen der Nazis von der rechtsextremen Ideologie losgelöst werden. Bei der Argumentation macht man es sich dabei besonders einfach: Im Wort Nationalsozialismus ist ja der Begriff „Sozialismus“ enthalten, und Sozialismus ist links, wie jedes Kind weiß. Auch die Nutzung des Wortes „Arbeiterpartei“ im Namen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) soll laut Verschwörungsgläubigen auf eine sozialistische Ausrichtung der Nazis hinweisen. Puh, bei dieser messerscharfen Beweisführung landen wir schnell beim zitronenfaltenden Zitronenfalter.   

Diese „linke“ Begriffsverwirrung rund um die Namensgebung der NSDAP war tatsächlich kein Zufall. Mit der Nutzung der Wörter „sozialistisch“ und „Arbeiterpartei“ sollten gezielt Arbeiterinnen und Arbeiter angesprochen werden. Der eigentliche Kurs der Partei war mit der Nennung „Deutsch“ und „National“ allerdings schon abzusehen. Die antisemitischen und völkischen Inhalte sollten aber erstmal gezielt verschleiert werden. Diesen zwiespältigen Ansatz zum Stimmenfang versuchte bereits die Vorgängerorganisation, die Deutsche Arbeiter Partei (DAP), bevor sie 1920 in NSDAP umbenannt wurde.  

Rechtsextrem bis in die Spitze(n) 

Während der Nachkriegszeit war es dann zunächst still um die Legende der „linken Nazis“. Viele ehemalige Täterinnen und Täter sowie Profiteurinnen und Profiteure der NS-Zeit machten weiterhin einen großen Teil der deutschen Bevölkerung aus. Sie sahen daher also erst mal keinen Bedarf, die rechtsextremistische Ideologie ins politische Gegenteil zu verdrehen. Erst als in den 2000er und 2010er Jahren das Thema von umstrittenen Journalistinnen und Journalisten und Politikerinnen und Politikern aufgegriffen wurde, geriet das Märchen über die „linken Nazis“ wieder ins Rollen. Und auch in aktuellen fragwürdigen Debatten wird der Mythos wieder mit viel Elon, äh Elan weiterverbreitet. Darum, jetzt mal zum Mitschreiben. 

Der historische Nationalsozialismus und sein Diktator Adolf Hitler waren definitiv nicht „links“ oder "linksextrem", sondern im Kern antikommunistisch und eindeutig rechtsextrem. Nach der Definition des Bundesamts für Verfassungsschutz ist der „Linksextremismus ein Sammelbegriff für alle gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen, die auf einer Verabsolutierung der Werte von Freiheit und (sozialer) Gleichheit beruhen, wie sie sich insbesondere in den Ideen von Kommunismus und Anarchismus ausdrücken.“  

Die NSDAP strebte keine soziale Gleichheit an und erzwang eine rassistische und antisemitische Alleinherrschaft, bei der lediglich der „Führer“ über Zukunft und „Gemeinwohl“ der entmündigten Bevölkerung entscheiden sollte. Organisierte Gewerkschaften, Parteien und Verbände der Arbeiterschaft wurden zunächst öffentlich bekämpft und nach der Machtübernahme verfolgt, verhaftet und ermordet. Ein zentraler Aspekt der Partei war außerdem der Kampf gegen eine angebliche „jüdisch-bolschewistische“ Weltverschwörung. Zudem spielten die systematische Ausgrenzung und Vernichtung von Minderheiten eine zentrale Rolle im NS-Regime. Einen Großteil dieses völkischen Gedankenguts und auch Hitlers Abneigung gegen den Kommunismus konnte man übrigens bereits 1925 in seiner Hetzschrift „Mein Kampf“ nachlesen.   

Wer nach der Nennung dieser schaurigen historischen Fakten immer noch glaubt, dass die Nazis und deren Ideologie „links“ gewesen seien, der hat haltlosen Geschichtsrevisionismus leider wirklich durchgespielt. Diese verzerrte Darstellung verdreht nicht nur die Realität und die grausamen Intentionen des Nationalsozialismus, sondern öffnet auch Tür und Tor für allerlei rechtsextreme Fantasien und bedroht unsere demokratischen Grundwerte. Damals wie heute gilt: Fakten statt Faschos.  

Quellen

Geschichte statt Mythen. (n. d.). Die „linken Nationalsozialisten“. Abgerufen am 14.01.2025, von https://www.geschichte-statt-mythen.de/klassische-mythen/linke-nationalsozialisten  

Volksverpetzer. (25.07.2019). Faktencheck: Die Zerstörung vom „Die Nazis waren links!“-Bullshit. Abgerufen am 14.01.2025, von https://www.volksverpetzer.de/analyse/nazis-nicht-links/ 

BR24 – #Faktenfuchs. (10.01.2025). #Faktenfuchs: Warum die Nazis rechtsextrem waren – nicht links. Abgerufen am 14.01.2025, von https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/faktenfuchs-warum-die-nazis-rechtsextrem-waren-nicht-links,UZSQFB5  

Deutsche Welle. (10.01.2025). Faktencheck: Warum Hitler kein Kommunist war. Abgerufen am 14.01.2025, von https://www.dw.com/de/faktencheck-warum-hitler-kein-kommunist-war/a-71266088  

NS-Dokumentationszentrum München. (27.11.2023). Feindbild Arbeiterbewegung. Abgerufen am 14.01.2025, von https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/feindbild-arbeiterbewegung-209  

Bild: ChatGPT 

auf einem Blick

Darum geht’s

Im Mythos von linken Nationalsozialisten wird behauptet, dass Ideologie und Programm der NSDAP in gewisser Weise als links eingeordnet werden könnten. 

Pro

Die perfekte Gelegenheit, um frühzeitig eine mögliche Rechts-Links-Schwäche in den Griff zu kriegen und ein paar geschichtliche Fakten aufzufrischen. 

Kontra

  • Im angeblich „linken“ 25-Punkte-Programm der NSDAP finden sich zwar auch eher politisch „links “ konnotierte Themen wie z. B. Altersvorsorge oder die Verstaatlichung von Betrieben, allerdings werden diese Punkte deutlich durch antisemitische, völkische und gewaltsame Forderungen überschattet, wie z. B. der Aberkennung der Staatsbürgerschaft von jüdischen Menschen, dem Einfordern eines „großdeutschen Reiches“ oder der Aufhebung des Versailler Friedensvertrags.

  • Die NSDAP war während ihrer Herrschaft auf die Unterstützung der Arbeiterinnen und Arbeiter angewiesen, fürchtete aber auch deren Widerstand. Daher versuchte das Regime bei gleichzeitiger, politischer Entmündigung das Gefolge mit vermeintlichen sozialstaatlichen Maßnahmen, wie „Kraft durch Freude“, bei der Stange zu halten. Ergebnis war eine mit Gewalt und Terror hergestellte Volksgemeinschaft, nach streng hierarchischen und rassistischen Kriterien.

  • Rechtsextremismus strebt einen ethnisch einheitlichen Staat an. Es gibt keine absolute Gleichheit der Individuen, stattdessen völkisch-rassistische Ansichten. Gleichheit soll nur innerhalb der eigenen Volksgruppe oder „Rasse“ existieren. Damit fällt der Nationalsozialismus klar unter die Definition des Rechtsextremismus.

  • Im Zuge der Reichstagswahl von 1933 koalierte die NSDAP damals mit der „Kampffront Schwarz Weiß Rot“, einem Bündnis aus der nationalistischen DNVP und deren bewaffnetem Arm „Stahlhelm“ – beide rechts einzuordnen. Wäre die NSDAP wirklich „links“ oder „sozialistisch“ gewesen, hätte sie die Koalition mit einer der linken Parteien (SPD oder KPD) gesucht.

  • Neben den Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie weiteren Menschen, wurden auch politische Gegnerinnen und Gegner in KZs verschleppt, gefoltert und getötet. Die politisch Verfolgten waren fast ausschließlich dem linken Spektrum zuzuordnen.

  • Die neonazistische Szene wird in Deutschland ca. seit den 70er Jahren beobachtet und ist definitiv als rechtsextrem einzuordnen. Die Szene bedient sich eindeutig an den Ideen und der Ideologie der Nationalsozialisten von 1933-1945.

  • Hitler war kein Kommunist, er hat von Beginn an den Marxismus stark bekämpft und auch aus ökonomischer Sicht kommunistische Ideale abgelehnt. Dazu zählen beispielsweise die Überwindung des Privateigentums, die Überwindung einer profitorientierten Wirtschaft und die Überführung der wichtigsten Produktionsmittel in Gemeinschaftseigentum.

  • In der Frühzeit der NSDAP gab es einen selbst ernannten sozialistischen Flügel, der aber schon vor der Machtübernahme 1933 eliminiert wurde. Den Kopf dieses Flügels, Gregor Strasser, ließ Hitler ebenso wie andere innerparteiliche Gegner ermorden.

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