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Die böse Kehrseite der Verpackung
Wer gesund leben möchte, sollte beim Einkauf im Supermarkt so einiges beachten. Eine ausgewogene Ernährung ist schließlich kein Zuckerschlecken. Aber Achtung, die wahre Bedrohung lauert nicht in süßen Schokoriegeln oder bunten Softdrinks, sondern auf deren Verpackung – zumindest laut Gerüchten aus der Verschwörungswelt. Dort besteht nämlich die Angst, Barcodes auf Lebensmitteln seien mit „negativer Energie“ aufgeladen und würden diese vergiften. Wir bleiben erstmal positiv und gehen dem Mythos gemeinsam gegen den Strich.
Die schwarzen, senkrechten Striche der Barcodes sollen laut Verschwörungsgläubigen wie eine Art Antenne funktionieren. Wer jetzt auf besseres Mobilfunknetz durch die angeblichen Strich-Empfänger hofft, den muss ich an dieser Stelle leider enttäuschen. Die Streifen sollen lediglich negative Energien einfangen und so unserer Gesundheit schaden. Besonders schlimm sei die Strahlung an der Kasse: Sobald das Produkt über den Laserscanner gezogen wird, soll neben dem Portemonnaie auch die volle Giftladung des Codes auf die Lebensmittel entleert werden. Wo sich bei vielen Kundinnen und Kunden mit jedem Piepsen an der Kasse die PAYBACK-Punkte vermehren, wächst bei manchen nur die Sorge um die bösen Balken.
Der Glaube an die gestreifte Gefahr ist vor allem in der Esoterikszene weitverbreitet. Immer wieder warnen Esoterikmagazine und -portale vor „negativen Feldern und energieflussstörenden Schwingungen“ durch EAN-Codes (so heißen die Striche offiziell). Doch nicht nur die vermeintlichen Strichantennen bereiten den Barcode-Skeptikerinnen und -Skeptikern Sorgen. Sie vermuten außerdem eine versteckte teuflische Botschaft im Barcode: die Doppelstriche am Anfang, in der Mitte und am Ende des Balkens. Diese Striche sollen jeweils die Zahl sechs codieren und somit die Folge 666 ergeben – die Zahl des Teufels. Interessante Marketingidee: Bio-Limonaden, Chipstüten und Milchkartons als persönliche Visitenkarte des Teufels. Da fehlt nur noch ein QR-Code auf der Verpackung der uns darüber aufklärt, wie Luzifer seinen ökologischen Hufabdruck verkleinern möchte.
Um trotzdem gefahrlos Lebensmittel im Supermarkt einkaufen und konsumieren zu können, haben Verschwörungsgläubige eine kreative Lösung gefunden: die „Entstörung“. Hierbei geht es darum den giftigen Barcodes wortwörtlich einen Strich durch die Rechnung zu machen. Mit speziellen Filzstiften soll man die Codes auf den Verpackungen durchstreichen und damit die „toxische Belastung“ eliminieren. Die Zauberstifte gibt’s in diversen Esoterik-Shops zum Schnäppchenpreis von rund zehn Euro pro Stück. Wer keine Lust auf Malen nach Zahlen hat, dem bleibt noch die Luxusvariante der Entstörungsgadgets. Für 1000 Euro aufwärts bekommt man einen sogenannten „Hildegard Orgonakkumulator“, ein über zehn Kilo schweres Tablett. Dort legt man seine Waren dann ganz einfach nach dem Einkauf drauf und entfernt so die negative Energie – und die eigenen Ersparnisse. Gutes Geschäftsmodell, so eine Barcode-Verschwörung.
Bei solch abstrusen Vorstellungen rund um die Strichcodes ist es kaum zu glauben, dass der Verschwörungsmythos seit Jahrzehnten Rückenwind aus der Bio-Branche erhält. Denn manche Unternehmen erfüllen ihren Kundinnen und Kunden den Wunsch nach einem „sicheren“ Barcode und „entstören“ ihn, beispielsweise mit einem aufgedruckten Querbalken oder einer liegenden Acht. Bei der Aussicht auf mehr Umsatz kann man anscheinend schon mal ein Auge zudrücken. Für viele Verschwörungsgläubige eine willkommene Bestätigung ihrer Strichmärchen.
Bei langen Warteschlangen und stetig steigenden Lebensmittelpreisen habe ich volles Verständnis für negative Energie bzw. Stimmung am Kassenband. Die Angst vor harmlosen Strichcodes auf Lebensmitteln ist allerdings nicht nur komplett unbegründet, sondern auch Teil eines esoterischen Verschwörungsmythos. Also spart euch die magischen Heilstifte oder Hildegards Orgon-Shuffleboard und macht mit dem Geld lieber einen schönen Urlaub – gerne auch Mal außerhalb des Rabbit Holes. Ich hab die Schnauze gestrichen voll!
Stiftung Warentest. (23.09.2013). Die Angst vor dem Barcode. Abgerufen am 21.11.2024, von https://www.test.de/Verpackungen-Die-Angst-vor-dem-Barcode-4610954-0/
DER SPIEGEL. (08.07.2019). Die Barcode-Verschwörung: Warum manche Hersteller ihre Strichcodes ‚entstören‘. Abgerufen am 21.11.2024, von https://www.spiegel.de/panorama/barcode-verschwoerungstheorie-warum-manche-bio-hersteller-ihre-strichcodes-entstoeren-a-0330bfcd-2138-4d16-820c-c25719ebba0c
20 Minuten. (25.04.2023). Barcode-Verschwörungen: Angst vor Strichcode – einige geben viel Geld für Gegenmittel aus. Abgerufen am 21.11.2024, von https://www.20min.ch/story/barcode-verschwoerung-warum-einige-das-ende-der-striche-herbeisehnen-159515338603
Bild: Canva