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Verschwörungsmythen werden von verschiedensten Gruppen und Personen befeuert. Um ihre politischen und gesellschaftlichen Interessen durchzusetzen, verbreiten sie gezielt Falschmeldungen. Diese sollen manipulieren, polarisieren – und natürlich überzeugen.
Desinformation will den Anschein von echten Nachrichten wecken und einen vermeintlichen Wahrheitsanspruch erzeugen. Deswegen orientieren sich die Urheberinnen und Urheber häufig an journalistischen Nachrichtenformaten, mit denen wir in der Regel Professionalität und Glaubwürdigkeit assoziieren. Die Falschmeldungen sind so gestaltet, dass diese Erwartung ebenfalls geweckt wird. Dazu benutzen sie den typischen Aufbau und auch den Sprachstil journalistischer Nachrichtenformate als Authentizitätsmarker.
Aber schnell fällt auf, dass Desinformation sprachliche Muster aufweist, die für redaktionelle Berichterstattung unüblich sind und die sogenannten „Fake News“ auf sprachlicher Ebene von „Real News“ unterscheiden – das stellt Birgit Huemer in der exemplarischen Betrachtung Sprachliche Mittel in Fake News: Eine textlinguistische Perspektive fest.
In ihrer Untersuchung von Falschmeldungen zur Coronapandemie zeigt Huemer eine Sprache auf, die starke Emotionen wecken und polarisieren kann. Statt einer gewissen sprachlich realisierten Distanz zum dargestellten Sachverhalt findet sich in den untersuchten Falschmeldungen ein stark wertender Sprachgebrauch: Bezeichnungen wie „Bullsh***-PCR-Test“ drücken dabei die Autor:innenmeinung aus. Die deutliche negative Wertung wird häufig durch Formatierungen wie Fettdruck und Großschreibung verstärkt. Stilmittel der Aufzählung und Wiederholung sollen dafür sorgen, dass diese stärker in den Köpfen der Lesenden haften bleiben: „keine Fälle von Covid“, „kein Covid“, „in allen 1500 Proben KEIN Covid“.
Auch die Distanz zur Leserschaft, die für redaktionelle Nachrichtenformate üblich ist, sucht man vergeblich. Zwischen Autorin/Autor und Lesenden wird sprachliche Nähe hergestellt – beispielsweise, indem diese direkt angesprochen werden oder indem die Urheberinnen und Urheber auf sich mit „wir“ Bezug nehmen und so in Erscheinung treten. Das kann laut Huemer dazu beitragen, Gruppenzugehörigkeit zu schaffen – und gegen die stark negativ bewerteten äußeren Gruppen wie Medien oder geheime Verschwörerinnen und Verschwörer abzugrenzen, die hinter dem „Pandemie-Scherz“ stecken, den „Great Reset“ durchführen, uns „zerstören“ und „unterwerfen“.
Die sprachlich erzeugte Nähe wird auch für Appelle genutzt: Die untersuchten Texte richten sich mit einer Aufforderung direkt an die Lesenden. Dabei werden diese Appelle zum Beispiel mit Modalverben wie „sollen“ als verpflichtend und mit Adverbien wie „sofort“ als dringlich dargestellt: zum Beispiel beim Aufruf, zur „Normalität“ zurückzukehren.
Außerdem nicht überraschend: Anders als bei redaktionellen Nachrichtenformaten weisen die untersuchten Falschmeldungen keine eindeutigen Quellenverweise auf, Akteurinnen und Akteure, Daten, Orte und Zahlen werden nicht immer genau genannt. So findet sie Berufsbezeichnungen, die wohl Seriosität verleihen sollen – wie „ein klinischer Wissenschaftler“ statt dem vollen Namen. Formal betrachtet sind die Texte zudem sehr fehlerhaft (Rechtschreibung, Kommasetzung, Syntax). Das deutet auf ein fehlendes Lektorat hin.
Polarisierende Sprache ist offenbar eine beliebte Zutat für einen richtig saftigen Verschwörungsmythos. Was darf außerdem nicht fehlen?
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Hier geht’s zur ganzen Veröffentlichung: Huemer, Birgit, 2022: Sprachliche Mittel in Fake News: eine textlinguistische Perspektive. In: Bendheim, Amelie und Pavlik, Jennifer (Hrsgb.): ›Fake News‹ in Literatur und Medien: Fakten und Fiktionen im interdisziplinären Diskurs. Bielefeld: transcript Verlag, 165-198.
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