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Wasser als Quell physikalischer Fantasien

Wasser ist der Ursprung allen Lebens. Wir kennen es flüssig, mit und ohne Sprudel, als Grundlage für Kaffee und Tee, zum Reinspringen in Seen und Schwimmbädern; fest am Stiel als Eis zum Abkühlen an heißen Sommertagen, als Versteck für Nazis und zum Schlittschuhlaufen auf zugefrorenen Gewässern; sowie gasförmig als Wasserdampf, der Dumplings gart, erkältete Nasennebenhöhlen freiräumt und als Chemtrails getarnt hinter Flugzeugen zu finden ist. Doch dann gibt es auch noch einen vierten Aggregatzustand des Wassers, zumindest laut Esoteriker*innen wie Johann Grander und anderen, die an sogenanntes belebtes Wasser oder auch hexagonales, strukturiertes, Grander- oder Informationswasser glauben.
Optisch nicht vom anderen, stinknormalen Leitungswasser zu unterscheiden, soll dieses ganz spezielle Wasser natürlich auch mit ganz besonderen Eigenschaften und Wirkungen daherkommen. Diese reichen von einem besseren Geschmack über ein herausragendes Trinkerlebnis bis hin zu besserem Pflanzenwachstum und einem geringeren Putz- und Waschmittelverbrauch beim gleichzeitigen Einsatz des Wunderwassers im Haushalt.
Was das belebte Wasser so besonders macht? Nun ja, mit ein bisschen geheimem Hokuspokus, einer neuen Definition physikalischer Gesetze und ganz viel Glauben wird aus der herkömmlichen, chaotischen Struktur des Wassers eine ganz besonders stabile Struktur auf molekularer Ebene, die noch dazu angeblich mehr Sauerstoff enthält. Ach so, und mit ganz viel Geld natürlich, um sich so ein Teil zu kaufen, in das man seinen Glauben gemeinsam mit dem Leitungswasser fließen lassen kann. Und das lassen sich verschiedene Hersteller so einiges kosten und nennen es Filter, Verwirbler oder Belebungsgerät. Unten raus kommt dann unser geliebtes Wunderwasser. Beziehungsweise eigentlich das gleiche Leitungswasser, das oben schon reinkam. Denn diese Geräte setzen dem Wasser weder etwas zu, noch filtern sie etwas heraus. Das Einzige, was passiert (und das auch nicht bei allen) ist, dass das Wasser an anderem Wasser vorbeifließt. Aber – na klar – an besonderem Wasser, dem sogenannten „Wirkmedium“ oder eben „Informationswasser“. Das bedeutet nach dem Glauben der Granderwasser-Jünger*innen, dass der Zustand des besonderen, bereits strukturierten „Informationswassers“ auf anderes Wasser, das in der Nähe ist, übergeht. Würde also so auch bei zwei nebeneinanderstehenden Wassergläsern funktionieren, wenn eines davon schon belebtes Wasser enthält. Wenn wir diese Logik weiterspinnen und davon ausgehen, dass der Mensch zu circa 70 Prozent aus Wasser besteht … ach lassen wir das, wir sind hier nicht im Bereich der Logik. Ein weiteres Geheimnis: wo das allererste belebte Wasser jemals herkam.
Begeben wir uns aber noch einmal in unser Physiklabor und schauen uns das Ganze mal auf molekularer Ebene an. Wassermoleküle bestehen aus einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen. Diese beiden Pole haben unterschiedliche Ladungen, weshalb sich mehrere Wassermoleküle gerne an je einem Sauerstoff- und einem Wasserstoffatom verbinden. Die Grundschüler*innen unter euch erinnern sich: Das sind die sogenannten Wasserstoffbrückenbindungen. Diese können dafür sorgen, dass sich Wassermoleküle durchaus in bestimmten Clustern oder Strukturen verbinden können, zum Beispiel als Sechsecke (hexagonal). Aber: diese Verbindungen halten im flüssigen Zustand nur wenige Sekundenbruchteile und verbinden sich dann wieder neu zu ganz neuen Strukturen. Wer wirklich stabiles, hexagonales Wasser haben möchte, muss auf Eis zurückgreifen. Hier sind die Verbindungen so lange stabil, bis die Temperatur des Wassers über 0°C liegt.
Belebtes Wasser fließt also ausschließlich durch das Tal der Esoterik, Homöopathie und Pseudowissenschaft und schließt an Mythen zum angeblichen Wassergedächtnis und wundersamen Heilsteinen an. Pro: Anders als bei anderen, teils gefährlichen, pseudomedizinischen Wundermitteln leidet für den Genuss von belebtem Wasser schlimmstenfalls nur der Geldbeutel, nicht aber die menschliche Gesundheit. Denn Wasser trinken ist ja erstmal gesund. Aber: Angebliche Versprechen zum Wohlbefinden und die Vermarktung teurer Gerätschaften für eine nur gefühlte Veränderung bleiben dennoch kritisch zu betrachten. Denn derlei Aussagen täuschen Menschen und verleiten sie dazu, Geld in Produkte oder Methoden zu stecken, die keinerlei nachweisbaren Nutzen haben. Und wer einmal an scheinbar harmlose pseudowissenschaftliche Behauptungen glaubt, ist auch später anfälliger dafür, kostspieligere oder potenziell gesundheitsschädliche Angebote wie MMS oder Silberwasser anzunehmen. Vermeintlich harmlose homöopathische Mittelchen können damit zum ersten Schritt in einer Spirale werden, die sowohl finanziell belastend als auch gesundheitlich riskant werden kann.
Das Erste (2008): Belebtes Wasser – W wie Wissen. Das Erste. https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2008/belebtes-wasser-100.html Das Erste
Medizin Transparent (o. J.): Granderwasser: Wirkung nicht plausibel. Medizin Transparent. https://medizin-transparent.at/was-kann-granderwasser/ Medizin transparent
Quarks Science Cops (Podcast, 2022): Abkassieren mit „belebtem“ Wasser? Der Fall Grander. Quarks Science Cops. https://www.quarks.de/podcast/science-cops-abkassieren-mit-belebtem-wasser-der-fall-grander/ podcast.de
Bundesanstalt für Wassergüte (1993): Gutachten über die Wirkung des Gerätes „Wasserbelebung 380“. Homepage Erich Eder, Universität Wien. https://homepage.univie.ac.at/erich.eder/wasser/baw1993.htm
Foto von mrjn Photography auf Unsplash